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Das vorliegende Bild entstand während der 64. Malaktion von Hermann Nitsch, die im Oktober 2012 im MART (Museo di arte moderna e contemporanea, Rovereto, Italien) stattfand. Sie bestand aus vier Teilen und wurde auf großformatigen Leinwänden, die auf dem Boden ausgelegt waren, eine Woche lang live vor dem Publikum ausgeführt. Nach Bereitstellung der Farben durch die Assistenten, betraten die Akteure – der Maler, seine Assistenten und die Studierenden der italienischen Libera Accademia di Belle Arti LABA und des Istituto delle Arti „F. Depero“ –, gekleidet in weiße Malhemden, die Bühne. In einer steten und dynamischen Bewegung wurden rote Farbströme über die Leinwand geschüttet, die sich somit auch gestisch in die Leinwand einschrieben. Nach dem Schütten bearbeitete Hermann Nitsch mit einem Besen die noch feuchten Farbfelder, schleuderte die Farbe wieder aus der Leinwand oder verwischte sie über das Bild. Der dritte Akt in dieser Aktion war das Gehen. Unter der Anleitung des Künstlers „spazierten“ die Assistenten und die Studierenden barfuß über die Leinwände – ein phantasievoller Teil der Performance, in der sich Malerei, Bewegung und Körper verbanden. Die nackte Haut der Füße wurde zum Pinsel und hinterließen Spuren und Muster auf der Leinwand. Gleichzeitig entstand eine direkte Verbindung zwischen Körper und Kunstwerk. Der transgressiven Tradition des Wiener Aktionismus folgend, wird das Publikum zudem Zeuge, wie Menschen Teil der Entstehung eines Kunstwerks werden und zugleich, in dem sie über die am Boden liegenden Malerei gehen, gängige Rezeptionsmuster der Kunst unterlaufen. Nitsch verließ stets das herkömmliche Feld der Malerei mit dem Ziel, die Darstellungsmittel auf das Elementare und Ursprüngliche zurückzuführen. Nach dem Gang folgte der Trocknungsprozess der Farbe, und danach begann die vierte und letzte Phase der Performance, in der die Leinwände nochmals vom Künstler bearbeitet wurden. Anstelle des Pinsels verwendete Nitsch dabei seine Hände und stellte erneut und sehr bewusst wieder eine direkte Verbindung zwischen dem Körper und dem Bild her. Mit dicker Farbe wurden dadurch zum Teil Spuren der vorherigen performativen Aktionen wieder überdeckt oder andere verstärkt. Auf einige Bilder der 64. Malaktion wurden zudem die Malhemden appliziert, die ihrerseits durch die bei der Performance entstandenen Farbflecken selbst bereits wie Gemälde aussahen. Im vorliegenden Bild „Ohne Titel“ ergibt sich die Spannung durch den Kontrast zwischen der fluiden, eruptiven Schüttung und dem dicken Impasto der, von Nitsch per Hand aufgetragenen, Farbe. So entstehen verschiedenen Farbnuancen von Rot und eine reliefartige Struktur der Bildoberfläche. Das Bild wird solcherart selbst zum aktionistischen Ereignis, dessen Relikt es im eigentlichen Sinne ist, und behauptet sich unabhängig von der Malaktion als autonomes Gemälde.
Silvie Aigner