Emil Nolde

1867 Nolde/Nordschleswig - 1956 Seebüll/Schleswig-Holstein

  • Titel Stiefmütterchen und Federbusch
  • Datierung um 1930
  • Technik Aquarell auf Japanpapier
  • Maße 45,6 x 33,8 cm
  • Signatur rechts unten signiert: Nolde
  • Provenienz Privatbesitz, Deutschland
  • Literatur Vgl. Martin Urban, Stiftung Seebüll (Hg.), Emil Nolde - Blumen und Tiere, Köln 1994, Nr. 6
  • Sonstiges Foto-Expertise von Prof. Dr. Martin Urban, Nolde-Stiftung Seebüll vom 16. Februar 1985

Emil Nolde, eigentlich Emil Hansen, war Sohn eines Bauern und von daher schon stets eng mit der Natur verbunden. Er blieb es auch sein gesamtes Leben lang. Ob auf der Ostseeinsel Alsen, beim Bauernhaus „Unterwarf“ an der Wiedau oder in seinem letzten Refugium ab 1927, dem Haus „Seebüll“ – der Meister des deutschen Expressionismus bevorzugte die Landschaft, Wald und Wiesen und legte selbst liebevoll Gärten an, in denen sich unzählige farbintensive Blüten entfalten konnten. (1) Die für ihn so wichtige Kraft- und Inspirationsquelle, bot ihm zahllose Motive für sein künstlerisches Schaffen. „Die Farben der Blumen zogen mich unwiderstehlich an, und fast plötzlich war ich beim Malen […] Die blühenden Farben der Blumen und die Reinheit dieser Farben, ich liebte sie. Ich liebte die Blumen in ihrem Schicksal: emporsprießend, blühend, leuchtend, glühend, beglückend, sich neigend, verwelkend, verworfen in der Grube endend“, schilderte der Künstler 1906 seine Gedanken und Empfindungen.(2) Die Aquarelltechnik kam der Noldeschen Spontanität und seinem Wunsch nach Unmittelbarkeit des Ausdrucks entgegen. Er bevorzugte das Nass-in-Nass-Verfahren und verwendete häufig das saugfähige Japanpapier. Hauptakteur in seinem Werk ist die Farbe, ihre Leuchtkraft und sinnliche Materialität, ihre Schichtung und Überlappung, ihr Ineinanderfließen und ihre Symbiose mit dem Malgrund. Begeistert von seinen „Farbstürmen“(3), lud die Künstlergruppe „Die Brücke“ respektive Karl Schmidt-Rottluff 1906 Nolde zur Mitgliedschaft ein, die er für kurze Zeit annahm. Wie auch im vorliegenden Blatt ging es Nolde nicht um eine naturgetreue Darstellung, sondern um die Intensität und Strahlkraft der Farben, um Entmaterialisierung, dem kontrollierten Zufall im Sinne der écriture automatique und um die Assoziationen sowie Vorstellungen, die damit beim Betrachter geweckt werden. Dicht drängen sich am unteren Bildrand die ineinander verlaufenden Farben der Stiefmütterchen, während im Hintergrund der oberen Bildhälfte die tiefrosa Blüten des straff aufrecht wachsenden Federbusches (Celosia argantea) ihr intensives Kolorit mit teilweise schwungvollem Pinselduktus entfalten. Auch hier schafft er eine Distanz zum realen Gegenstand durch Abstinenz strenger Formen und betont das Malerische; er verformt und verfremdet. Daraus resultiert ein dynamischer Prozess, eine Wechselwirkung zwischen Betrachtung und Vorstellung. Er öffnet eine weitere Schicht „jenseits des bildlich Zeigbaren“(4) – vor allem darin liegt das Geheimnis der Virtuosität Noldescher Aquarellkunst.

(1) Siehe dazu: Emil Nolde. Mein Garten voller Blumen, Ausst.-Kat. Nolde Stiftung Seebüll, Dependance Berlin, hrsg. v. Manfred Reuther, Köln 2010. (2) Nolde, Emil: Jahre der Kämpfe, 1902-1914, hrsg. v. der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, Köln 2002, S. 100. (3) Brief siehe: wie Anm. 2, S. 98. (4) Franz Erich: Innere Bilder, in: Emil Nolde. Aquarelle und figürliche Radierungen, Ausst.-Kat. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Köln 1991, S. 15.