Glas Venedig

  • Titel Vasenpokal mit Diamantriss, Vergoldung und Kaltmalerei
  • Datierung Tirol, 1570-1591
  • Maße Höhe 31,5 cm (mit Deckel)
  • Provenienz Slg. Rev. William Fraine Fortescue, Chesterton, Oxfordshire, Großbritannien (verk. um 1889); Slg. Lady "Lili" Maria Elisabeth Augusta Cartwright (geborene Sandizell), nach ihrem Tod vererbt an ihren Sohn, William Cornwallis Cartwright, Aynhoe Park, Oxfordshire, durch Erbgang an den vormaligen Besitzer, Großbritannien
  • Herkunft, Entw./ Ausf. Hofglashütte Innsbruck
  • Literatur Erich Egg, Die Glashütten zu Hall und Innsbruck im 16. Jahrhundert, Innsbruck 1962, Tafel XIV, Abb. 27 - vergleichbarer Deckelpokal aus dem Schloss Ambras im KHM Wien; Anna Elisabeth Theuerkauff-Liederwald, Venezianisches Glas der Veste Coburg. Sammlung Herzog Alfreds von Sachsen Coburg, Coburg 1994, S. 240-243 - vergleichbarer Pokal, sowie S. 271, Abb. 256 - vergleichbare Form, diamantgerissen, ohne Malerei; Brigitte Klesse, Hans Mayr, Veredelte Gläser aus Renaissance und Barock, Sammlung Ernesto Wolf, Wien 1990, S. 28, Abb. 33, im Katalog Nr. 35 - vergleichbares, sehr ähnliches Stück aus blauem Glas; The Mühleib Collection of European Glass, Bonhams, 2 May 2013, London 2013, S. 20 und 21 - ähnlicher Deckelpokal (ohne Löwenkopf-Baluster); Strasser/ Spiegl, Dekoriertes Glas, München 1989, S. 163 und 164 - ähnliche Deckelpokale; Strasser/Baumgärtner, Licht und Farbe. Die Sammlung Rudolf von Strasser, KHM, Wien 2002, Kat. Nr. 8 und Nr. 9

Als Erzherzog Ferdinand II. von Tirol 1570 die Innsbrucker Hofglashütte gründete, erwirkte er vom Dogen in Venedig die Erlaubnis Glasbläser aus Murano für einige Zeit zu bekommen. In dieser Zeit war seine Kunstund Wunderkammer im Schloss Ambras weit über Innsbruck hinaus berühmt. Seine Begeisterung für das schöne, venezianische Glas war so groß, dass er sogar selbst versuchte Glas zu blasen. Ein solches Glas wird noch heute auf Schloss Ambras ausgestellt. Generell war es unter den sammlungsfreudigen Fürsten der Zeit nicht unüblich sich selbst als Kunsthandwerker zu betätigen. In den Annalen sind die Glasbläser Pietro d’Orso (1571), Salvatore und Sebastiano Savonetti (1573-1578) und Andrea Tudino (1573-1583) verzeichnet. Da sie jedoch immer wieder zurück nach Murano gingen, blieb die Glashütte vorübergehend nicht in Betrieb, während die Haller Glashütte dann die Aufträge des Erzherzogs übernahm. Schließlich wurde die Hofglashütte 1591 geschlossen. Die distelförmige Kuppa gilt als besonderes Merkmal derartiger Gläser aus der Renaissancezeit, denn sie war im 16. Jahrhundert in Hall und Innsbruck äußerst beliebt. Es gibt Nachweise von Bestellungen des Erzherzogs an die Haller Glashütte, wo ausdrücklich diese Form, als „Pirn“ (Birne) bezeichnet, geordert wird. Die Form selbst kam über den Vorderen Orient im 13. Jahrhundert nach Venedig und breitete sich dort in Mitteleuropa aus. Die Seltenheit dieses reich verzierten, kostbaren Glaspokales aus dem 16. Jahrhundert, wird noch durch den gut erhaltenen, besonders aufwendig gestalteten Deckel erhöht.