Ernst Ludwig Kirchner

1880 Aschaffenburg - 1938 Frauenkirch-Wildboden bei Davos

  • Titel Ruhendes Mädchen
  • Datierung 1912
  • Technik Bleistift auf Papier
  • Maße 34,5 x 57,7 cm
  • Signatur rückseitig Nachlassstempel: NACHLASS / E. L. KIRCHNER rückseitig handschriftlich nummeriert: B Be/Bg 48 rückseitig mehrmals handschriftlich nummeriert: C 5682 / K 2073
  • Provenienz aus dem Nachlass des Künstlers
  • Literatur Galerie Henze & Ketterer (Hg), Kirchner der Zeichner. Am Beispiel seines Menschenbildes 1909-1936, Bern 2009, S. 55, Abb. 18
  • Sonstiges Das Werk wurde im Archiv Ernst Ludwig Kirchner dokumentiert und seine Echtheit durch Dr. Wolfgang Henze, Verwalter des Ernst Ludwig Kirchner Archivs, am 20. Juni 2013 bestätigt.

„Ich muss zeichnen bis zur Raserei, nur zeichnen.“ (1) Ernst Ludwig Kirchner war besessen von seiner Kunst. Der 1880 in Aschaffenburg geborene Künstler studierte auf Wunsch seiner Eltern Architektur an der Technischen Hochschule in Dresden. Im Wintersemester 1903/04 ging er nach München und schrieb sich im Lehr- und Versuchsatelier für angewandte und freie Kunst bei den Professoren Wilhelm von Debschitz und Hermann Obrist ein. Eine Studienreise führte ihn nach Nürnberg, bei der er die Werke Dürers kennenlernte, die ihn stark beeindruckten. Im Jahr 1905 gründete Kirchner gemeinsam mit Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl die Künstlervereinigung „die Brücke“, deren Mitglieder sich von der akademischen Tradition abwandten und nach einem freien Lebensstil und einer freien Kunst im Hier und Jetzt strebten. Vorbilder waren Matisse, van Gogh, Munch und Gauguin, die ihren Fokus auf die Kunst der Naturvölker Afrikas und Ozeaniens legten. Mit der Gruppe feierte Kirchner, bis zu deren Auflösung 1914, große Erfolge. 1911 übersiedelte er, wie auch andere seiner „Brücke“- Kollegen, nach Berlin und gründete eine private Kunstschule, die jedoch nur kurz Bestand haben sollte. Berlin mit seinen gesellschaftlichen Spannungen überforderte den Künstler und er verfiel dem Rhythmus der Stadt, insbesondere ihrem Nachtleben. Eines der zentralsten Themen war die Erotik des weiblichen Körpers. Es entstanden zahlreiche Aktstudien, die die unbändige Energie und die Leidenschaft des Künstlers unmittelbar wiedergaben. Die vorliegende Bleistiftzeichnung eines ruhenden Mädchens aus dem Jahr 1912 zählt zu diesen spannenden Studien. Mit schnellem, gestischem Strich hält der Künstler das sich auf einer Matratze oder einem Tuch ausruhende Mädchen fest. Seine Skizzen zielen nicht auf eine akademisch-formalistische Genauigkeit der Anatomie ab. Es ging Kirchner vielmehr um eine spontane Wiedergabe des Gesehenen. Beliebt waren bei den „Brücke“- Malern die Viertelstundenakte, bei denen nach fünfzehn Minuten die Position des Malers oder des Modells gewechselt wurden. Zu seinen Skizzen und Studien hielt der Maler in seinen Aufzeichnungen Folgendes fest: „In ihrer unmittelbaren Ekstase erfassen sie die reinsten und feinsten Gefühle des Schaffenden an der Fläche in fertigen Hieroglyphen und bilden so das sicherste Fundament für die Composition des Bildes oder der Plastik.“ (2)

(1) Andreas Gabelmann, Ernst Ludwig Kirchner. Ein Künstlerleben in Selbstzeugnissen, Ostfildern 2010, S. 14 (2) Andreas Gabelmann, Ernst Ludwig Kirchner. Ein Künstlerleben in Selbstzeugnissen, Ostfildern 2010, S. 46