Preisanfrage abschicken
Wenn Sie Interesse am Kauf dieses Kunstobjektes haben, schicken Sie uns bitte eine E-Mail oder füllen Sie unser Online-Formular aus:
Das privilegierte, mit vielfältiger Ausbildung, in Musik und Malerei, verbundene Leben Serge Poliakoffs, der am 8. Januar 1900 in Moskau als dreizehntes Kind einer wohlhabenden Familie zur Welt gekommen war, endete mit der Oktoberrevolution von 1917. Auf dramatischer Flucht, unter anderem unter einem Kohlewagen eines Zuges, gelangte er zunächst nach Kiew, weiter über den Kaukasus nach Tiflis sowie über Konstantinopel nach Sofia, Belgrad, Wien und Berlin. 1923 fand er schließlich in Paris eine neue Heimat und studierte Malerei an der Académie Frochot und der Académie de la Grande Chaumière, seinen Lebensunterhalt mit Musik, unter anderem abends als Gitarrist in russischen Kabaretts, verdienend. Poliakoffs charakteristischer Malstil initialisierte sich in London, wo er von 1935 bis 1937 weitere Privatschulen besuchte. Als prägend erwies sich dabei allerdings weniger die akademische Ausbildung als vielmehr die ägyptische Malerei im British Museum. Die dort ausgestellten Sarkophage mit ihren leuchtenden Dekorfarben faszinierten den Maler so sehr, dass er in einem unbeobachteten Moment Farbe von den antiken Särgen kratzte und mit der Überlagerung ihrer sukzessiven Schichten reiner Farbe das Geheimnis ihrer Leuchtkraft entdeckte. Bestärkt durch die Erkenntnisse von Wassily Kandinsky, Robert Delaunay und Otto Freundlich, erhielt die Farbe in Poliakoffs Werken fortan das Primat, autonom gegenüber jeglichem Gegenstandsbezug. Für seine rein aus Farbe gebildeten Farbfelder griff der Künstler dazu oftmals Formen bereits vorhandener Werke auf, zumal die Wiederholung für ihn als Regel galt, die seiner Phantasie den notwendigen Rahmen gab und ihn so vor Chaos schützte. Die serielle Motivbehandlung ermöglichte ihm zudem, Klarheit und Tiefe des Bildes und somit das Fundamentale zu erfassen: „Es ist gut, wenn ein Maler sich einzig einem Problem widmet und sein Leben lang daran arbeitet. Wenn dieses Problem richtig ist, wird es immer etwas geben, was man dem Bild hinzufügen kann.“ 1) Ähnlich den Zellen des Organismus, stehen die farbigen Flächen dabei in engster Verbindung zueinander, so dass die immanenten Kräfte von einer zur anderen Zelle übergeleitet werden, und so der ganze Organismus einen ungehemmten Kreislauf an Kräften bildet. Im Bild entstehen diese unbändigen Kräfte durch die kollektive Energie der einzelnen Farbflächen.
Im außergewöhnlichen Empfinden ihrer spezifischen Erscheinung von Helligkeit und Sättigung sowie gemäß ihrer Valenz, trägt Poliakoff die Farbe frei, ohne an die Komposition zu denken, stets vom Bildrand ausgehend, an verschiedenen Stellen in sukzessiven Schichten auf. Dunkle Töne verbinden sich mit hellen, kalte Farbe steht warmem Kolorit gegenüber, ebenso setzt Poliakoff auch komplementäre Farben übereinander. Die chromatischen Unterschichten der Farben bewirken höchste atmosphärische Dichte, so dass die Farbe im Konvolut zu leuchten beginnt. Sensibel in Form, Größe, Anzahl sowie kompositorischer Anordnung auf der Bildfläche verteilt, begründen die vielfältig miteinander verflochtenen Farbflächen Harmonie, Balance wie Stabilität der Komposition und zudem einen unendlichen Kreislauf ihrer bildimmanenten Kräfte. Poliakoffs Interesse galt neben der Malerei im Besonderen der Druckgraphik. Die Realisierung seiner rein aus Farbe gebildeten Visionen, die zunächst in Gouachen festgehalten sind, war sehr aufwändig, zumal die koloristische Vielfalt seiner Arbeiten viele Platten benötigte. Der Künstler legte die Auflagenhöhe selbst fest und signierte die entstandenen Werke eigenhändig. Die Kunstdruckerei der Galerie im Erker in St. Gallen, geleitet von Franz Larese und Jürg Janett, realisierte zwischen 1962 und 1969 einige seiner schönsten Lithographien dieser Zeit. Das vorliegende, aus Privatbesitz stammende großformatige Werk seines letzten Lebensjahres ist ein herausragendes Beispiel dieser höchst erfolgreichen Werkphase.
„Komposition in Rot, Blau und Schwarz“ zeigt eine Vielzahl kleiner Farbfelder und ein besonderes Kompositionsschema: die Arbeit ist durch eine horizontal verlaufende Linie charakterisiert, jenseits derer sich die Formen wie spiegelbildlich in Farbe, Form und kompositorischer Anordnung wiederholen, jedoch dabei stets eigenständige Formationen bilden. Die horizontale Mittellinie wird zudem durch eine vertikale, leicht aus ihrer Achse verschobene Kontur ergänzt. Die Mittellinien trennen die Bildhälften dabei nur scheinbar, denn gerade durch die graphische Teilung wird die innere, unabdingbaren Zusammengehörigkeit aller Felder betont. Mit der Komposition der vertikalen bzw. horizontalen Mittellinie greift Poliakoff auf das Darstellungsschema des Diptychons zurück. Die Mehrteiligkeit des Bildes bewirkt dabei nicht nur eine Dynamisierung der Darstellung, sondern betont unter dem ikonographischen Aspekt des Andachtsbilds auch die Erhabenheit des Bildes.
Die einzelne Farbfläche erkundend, gleitet das Betrachterauge zur nächsten, findet Gleiches oder Ähnliches und somit Vertrautes oder Neues vor, erkundet das Detail wie auch die Gesamtheit und erfährt so die magische Kraft von Poliakoffs Werken und damit auch zu der vom Künstler intendierten Stille, die ihn mit allen Sinnen für eine höhere Sphäre empfänglich machen soll. Als Vermittler zu eben dieser sah sich der tief religiös verankerte Poliakoff – einem Priester gleich, der durch sein Werk den Menschen Geheiligtes sichtbar macht.
1) zitiert nach: Edition Galerie Française Serge Poliakoff. Graphik, Estampes, Prints, München 1998, S. 7