Gustav Klimt

1862 Wien - 1918 Wien

  • Titel Studie für ein Bildnis von Dora Breisach
  • Datierung um 1917
  • Technik Bleistift auf Papier
  • Maße 49,9 x 32,2 cm
  • Signatur rechts unten signiert: GUSTAV / KLIMT
  • Provenienz Auktion Dorotheum, Wien, 10. November 1993, Lot 450; Privatbesitz Großbritannien; Sotheby"s, London, 22. Juni 2017, Lot 355; zugunsten einer wohltätigen Stiftung, die vom verstorbenen William de Gelsey gegründet wurde; Privatbesitz, Großbritannien
  • Sonstiges Das Werk wird von Dr. Marian Bisanz-Prakken in den in Vorbereitung befindlichen Ergänzungsband zu dem von Dr. Alice Strobl publizierten Werkverzeichnis der Zeichnungen von Gustav Klimt aufgenommen.

Im Werk Gustav Klimts taucht die streng frontal dargestellte Frauengestalt – sei es als Schulterbild, Brustbild oder als ganze Figur – zum ersten Mal in den Jahren vor und während der 1897 vollzogenen Secessionsgründung auf. Das Motiv des eindringlichen Fixierens, beziehungsweise Hypnotisierens war programmatisch bedingt und verband sich mit allegorischen Figuren wie in den Gemälden „Pallas Athene“ (1898) oder „Die Nackte Wahrheit“ (1899). Es verband sich aber auch mit Dekadenz, etwa in „Judith I“ (1901) oder in der provozierenden Nacktheit der „drei Gorgonen“ im „Beethovenfries“ (1901/02), in dem den durch die Architektur bedingten Frontal- und Profilstellungen eine besondere Bedeutung zukam. In Darstellungen wie diesen wurzelt die in Klimts Portraitkunst häufig anzutreffende Frontalansicht, für die er sich gerade in seinen letzten Schaffensjahren besonders interessierte. Berühmte Beispiele sind die Portraitbilder der stehenden Adele Bloch Bauer (1912), Eugenia und Mäda Primavesi (1913 und 1913/14), Elisabeth Lederer (1914-1916), Johanna Staude (1917, unvollendet) oder Amalie Zuckerkandl (1917, unvollendet). In den relevanten Studien betont Klimt die strenge Gebundenheit an die Fläche, indem er das teilweise oder in voller Länge wiedergegebene Modell zumeist von den Papierrändern überschneiden lässt. Mit dieser im Symbolismus wurzelnden Standardformel verinnerlicht er die Dialektik zwischen Nähe und Distanz: Die bewusst vorgenommene Fragmentierung trennt die jeweils Dargestellte von den BetrachterInnen und lässt sie gleichzeitig greifbar nah herankommen. In diesen breiten Kontext reiht sich die vorliegende, nicht restlos bestimmbare Studie einer frontal sitzenden Frauengestalt ein. Stilistisch und motivisch nähert sich die Arbeit den Zeichnungen für das Bildnis von Margarethe Constance Lieser an (1917, unvollendet, Verbleib unbekannt), aber Form und Ausdruck des Gesichts weisen mehr in die Richtung der gleichzeitig entstandenen Studien für ein – Alice Strobl zufolge – nicht zustande gekommenes Bildnis von Dora Breisach. Unbestreitbar ist die faszinierende Wirkung der locker, fast malerisch geführten Striche, durch die die zentral fixierte Frauengestalt von innen zu leuchten scheint. In diesem Spannungsfeld zwischen metaphysisch wirkender Leichtigkeit und strenger Flächengebundenheit liegt die Quintessenz von Klimts zeichnerischem Spätwerk.

Marian Bisanz-Prakken