Hermann Nitsch

1938 Wien - 2022 Mistelbach

  • Titel Schüttbild, Ohne Titel
  • Datierung 2011
  • Technik Acryl und Blut auf Jute
  • Maße 100,3 x 80,2 cm
  • Signatur rückseitig signiert und datiert: Hermann Nitsch 2011 rückseitig nummeriert: K_024_11
  • Provenienz Privatbesitz, Steiermark
  • Literatur Vgl. Michael Karrer (Hg.), Hermann Nitsch. Das Gesamtkunstwerk des Orgien Mysterien Theaters, Köln 2015, S. 604

„Farbe war von Beginn an wichtig für mich. Malerei ist eine Sache der Farbe.“

Darf man den Maler in seinem Atelier beim Arbeiten zusehen, so sieht man, wie er mit den Händen in die Farbtöpfe eintaucht, gestisch den Malakt vollführt, spritzt, wischt, pinselt und zumeist mit den Fingern über die geschüttete Farbe arbeitet. Die Spuren der Fingermalerei sind Teil der Komposition, wie dies auch im vorliegenden Bild zu sehen ist. Wie Nitsch selbst sagte, war seine Malerei beeinflusst vom internationalen Informel, „wie sie Künstler wie Pollock, Mathieu, Rainer, De Kooning, Tàpies, die 1959 im Wiener Künstlerhaus gezeigt wurden, entwickelten.“ Die Malerei des Informel sah er als Möglichkeit, die von ihm angestrebte Tiefe und Gefühlsintensität zu vermitteln. Diese sehr sinnlichen Malerei, so Nitsch, „die nicht mehr gegenständlich ist, sondern ein Umgehen mit konkreter Malerei, war für mich der Ansatz für meine Aktionen.“ Nitsch setzte sich stets mit dem Thema Farbe auseinander, erarbeitete während seiner Frankfurter Lehrtätigkeit mit seinen Studenten „Farb- und Formversuche" und verglich die Farbe in Bezug auf Rhythmik und Harmonie mit der Musik. Das Schüttbild von 2011 steht in Zusammenhang mit der 61. Malaktion in Schloss Prinzendorf. Die Malaktionen zeigten stets die Idee des Gesamtkunstwerkes, in dessen Zentrum das Orgien-Mysterien-Theater steht, in das letztlich alle Bestrebungen und Aktivitäten und auch die Malerei des Künstlers mündeten. So arbeitete Nitsch auch hier sowohl mit Blut als auch mit Farbe. Das Schütten auf der Leinwand bezeichnete er selbst als „visuelle Grammatik des Aktionstheaters auf einer Bildfläche“. Mitte der 1960er-Jahre verdrängte das Aktionstheater und die bei den Aktionen entstehenden Relikte die Malerei, die erst wieder Anfang der 1980er-Jahren in den Fokus rückte. Nitsch betonte in der Folge die wechselseitige Notwendigkeit von Malaktion und Aktion des Orgien-Mysterien-Theaters, die er, periodisch wiederkehrend, durchführte. Stets entstanden parallel zu den Malaktionen auch autonome Einzelbildwerke. Das Bild zeigt einmal mehr die Betonung der Farbmaterie, die geschüttet und mit den Fingern auf die Leinwand aufgetragen und verschmiert wird. (1)

(1) Die Zitate stammen aus Gesprächen mit Hermann Nitsch in Prinzendorf 2019 und 2021