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Der am 12. Juni 1890 in Tulln geborene Egon Schiele zählt neben Gustav Klimt und Oskar Kokoschka zu den bedeutendsten Künstlern der Wiener Moderne. Gustav Klimt – Mitbegründer der Secession und Ikone des Wiener Jugendstils – war für den jungen Schiele eine wichtige Bezugsperson und förderte ihn wie andere junge Künstler gerne. Egon Schieles Herkunft aus der Tradition der Wiener Secession und Klimts Einfluss auf ihn lässt sich nicht leugnen, dennoch geht er noch einen Schritt darüber hinaus. Während bei Klimts Zeichnungen weiche Linien und dekorative sowie wohlgefällige Formen vorherrschen, ist Schieles Linienführung konstruktiver und differenzierter; einmal schneidend klar oder anschmiegsam, ein anderes Mal heftig ausfahrend oder fein, aber dabei immer virtuos und ausdrucksvoll. Nicht ohne Grund nannte ihn der Kunsthistoriker Otto Benesch, dessen Vater ein großer Förderer und Sammler Schieles war, einen der „genialsten Zeichner aller Zeiten“.1) Denn Schiele vermochte es durch einen Umriss und mittels weniger Linien und Striche eine Figur vollständig zu charakterisieren und dabei nicht nur die Physiognomie der Dargestellten glaubhaft auf Papier zu bringen, sondern auch den Ausdruck und die Emotionen treffend einzufangen. Für den Künstler war die menschliche Figur vor allem Ausdrucksträger. „Ich glaube immer, daß die größten Maler Figuren malen“, schrieb Schiele 1911. 2) Alleine die Umrisslinien einer Figur werden bei Schiele zur Schilderung des menschlichen Lebens mit all seinen Empfindungen. Ausdruck und Emotionalität, die auch das Hässliche nicht aussparen möchten, treten stärker hervor. In der vorliegenden Zeichnung, die aufgrund ähnlicher Zeichnungen um 1914 zu datieren ist, kann man Schieles einzigartige Art der Linienführung erkennen. Mit nur wenigen, raschen Strichen – die Pose der Dargestellten mit dem erhobenen Arm konnte wohl nicht allzu lange gehalten werden – gelang es dem Künstler das Wesentliche einzufangen. Manche Elemente hebt er besonders hervor, wie man am Faltenwurf der Kleidung oder an den Accessoires wie dem Haarband und der Halskette erkennt, andere lässt Schiele jedoch einfach weg, wie den vorderen Arm, der nur durch eine Linie angedeutet wird. Dennoch ist die Dame, die dem Künstler hier Modell gesessen hat, greifbar. Ganz konzentriert sitzt sie mit geradem Rücken da, der eine Arm zum Kopf erhoben, als würde sie sich das Haarband richten, während der andere Arm scheinbar entspannt auf einer Stuhllehne ruht, der Träger ihres Kleides droht beinahe zu verrutschen und ihren Oberkörper freizugeben.
1) Schröder/Szeemann [Hg.], Egon Schiele und seine Zeit. Österreichische Malerei und Zeichnung von 1900 bis 1930. Aus der Sammlung Leopold, München/Wien 1988, S. 47 2) ebd., S. 35