Leopold Gottlieb

1879 oder Drohobych, Ukraine - 1934 Paris

  • Titel Kontemplation
  • Datierung um 1920
  • Technik Öl auf Leinwand
  • Maße 36 x 29,8 cm
  • Signatur mittig unten signiert: l. gottlieb
  • Provenienz Privatbesitz, USA
  • Literatur Vgl. Fuchs, Die Österreichischen Maler. Die Geburtsjahrgänge 1881 - 1900. A - L, Bd. I, Wien 1976, S. 189

Der in Drohobycz in Polen als Sohn galizischer Juden geborener Maler und Zeichner Leopold Gottlieb erhielt seine Ausbildung in Krakau und München. Von 1904 an langjährig in Paris ansässig, war er eng mit den Künstlern des Montparnasse verbunden und stellte 1906 und 1908 unter anderem in Wien und Berlin aus, von 1920 bis 1930 war er zudem Mitglied des Wiener Hagenbundes. In dieser Weise von den verschiedenen künstlerischen Strömungen dieser Zeit beeinflusst, weist sein Werk deutliche Bezüge zum Postimpressionismus, Expressionismus und im Besonderen zum Kubismus auf, zugleich blieb er den heimischen Traditionen verbunden, die sich vor allem inhaltlich in der Visualisierung des nationalen Freiheitsgedankens widerspiegeln. Im Verzicht auf die Verwendung jeglicher realistisch-naturalistischer Elemente, steht die Form im Mittelpunkt seiner Kompositionen. Sie verselbständigt sich durch die perspektivische Auflösung des Raumes, der sich auch im vorliegenden Bild nur durch den Rhythmus bogenförmiger Abschnitte und sich wiederholender Linien sowie weichen, fließenden Konturen und farblichen Kontrasten erschließt. Gottliebs zarte Figuren mit ihren überstilisierten schlanken Gliedern finden sich oftmals in weiten Landschaften oder menschenleeren Städten. Wie im vorliegenden Bild tauchen die Figuren aus einem Dämmerlicht hervor. Unter einem erdfarbenen Halbrund sitzt eine weibliche Gestalt; der mit einem hellen Tuch bedeckte Kopf ist schräg nach unten geneigt, der Blick gesenkt, verschattet treten ihre hageren Züge hervor. Die Arme, von einem pastosen Gewand halb verdeckt, gehen in langgliedrige Hände über, die um bzw. über einen dunklen würfelförmigen Gegenstand gelegt sind. Auf ihrem Schoß liegt ein dunkelrotes Tuch, die Beine, von einem bauschigen dunklen Rock mit hell aufleuchtenden Lichtpunkten verhüllt, sind schräg angewinkelt. Ihre Haltung ist aufrecht, die Miene hingegen ermüdet, wie demütig die Geste. In schemenhafter Darstellung, reduziert auf Brauntöne, ist im linken Mittelgrund eine in einen langen Umhang gehüllte Figur zu erkennen, der sich eine zweite mit nacktem Oberkörper kniend zuwendet. Um die vierte Gestalt, im hinteren Bildraum als Rückenfigur mit langem geflochtenem Haar dargestellt, hüllen sich wie wabernd blaugraue Farbgebilde, die das leuchtende Rot ihres Gewandes, das den Ton im Umhang der Sitzenden aufgreift, kontrastierend verstärken. Das bleifarbene Blau geht hinter ihr in vertikale Farbbahnen über, die an Höhlenformationen erinnern. Der farblich reduzierte, unbestimmbare Hintergrund verstärkt die Leere um die Figuren und verleiht Gottliebs Werk seinen charakteristischen mystischen Charakter, der den Betrachter zur individuellen Auseinandersetzung mit dem Dargestellten und zur emotionalen Versenkung führen soll.