Maria Lassnig

1919 Kappel am Krappfeld - 2014 Wien

  • Titel Über den Dächern von Ischia
  • Datierung 1987
  • Technik Aquarell auf Papier
  • Maße 61 x 79,5 cm
  • Signatur rechts unten signiert und datiert: M. Lassnig 1987 rückseitig bezeichnet, betitelt und datiert: 774 / Über den Dächern von Ischia 1987
  • Provenienz Galerie Raymond Bollag, Zürich; Galerie Palette, Zürich; Alex & Regula Kleinleser, Dübendorf; Privatbesitz, Schweiz (vom genannten Vorbesitzer 1999 erworben); dann weiterer Privatbesitz aus vorgenanntem
  • Literatur Graphische Sammlung Albertina Wien und Kärntner Landesgalerie (Hg.), Maria Lassnig. Aquarelle, Ausstellungskatalog Graphische Sammlung Albertina Wien und Kärntner Landesgalerie Klagenfurt, Klagenfurt 1988, S. 119, Nr. 78; Vgl. Maria Lassnig, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Wien 1999, S. 197
  • Sonstiges Das Bild ist in der Maria Lassnig Foundation registriert.

„...ein Körpergefühl ist optisch schwer zu definieren, wo fängt es an, wo hört es auf, welche Form hat es, spitzig, rund, gezackt – und dieses zu erforschen ist wie ein Umzäunen von Wolken, ein Feststecken von Nebelreichen, eine Mystik des Physischen. Dabei muß ich mich fast entschuldigen, daß bei einer Unternehmung, die mehr nach Forschung als nach Kunst klingt, konkrete Körper entstanden. Daran ist schuld, daß mein Wissen von den realen Abständen zwischen Stirn und Nase, Hals und Brust, nicht ausgeschaltet und als Kunstkompromiß belassen wurde. Was als Deformierung der Realität erscheint ist keine, weil die Realität auf einer anderen Ebene, der Gefühlsebene stattfindet. Wenn diese mit der optisch gesehenen kongruent ist, dann deshalb, weil mein Distanzgefühl, an äußeren Dingen geschult, sich eine blinde Sicherheit angeeignet hat, sodaß sich die äußere Realität, das, was jeder am Körper sieht, mit der gefühlten Realität, also der so schwer definierbaren, deckt.“ (Maria Lassnig, 1982) In ihren Reiseaquarellen widmet sich die Künstlerin in ihrem sechsten Lebensjahrzehnt dem Thema der beseelten Landschaft. Es geht um das künstlerische Ich in der Landschaft, aber auch um die Landschaft im künstlerischen Ich. „Es ist ein Sehen mit offenen und geschlossenen Augen zugleich.“ Außenbild und Innenbild fließen zusammen. Maria Lassnig identifiziert sich vollständig mit der sie umgebenden Natur, versteht sich als Teil dieser, aber auch diese als Teil ihrer selbst. Auf Ischia sitzt eine Figur, am definierten Rückgrat eindeutig als menschlich zu identifizieren, auf einem Felsen und blickt über die dicht bebaute Küste auf das Meer. Die sanften Rosatöne des Abendhimmels kontrastieren mit dem Orangerot der Dächer und den blutroten Umrissen der Figur – der Künstlerin selbst –, die sich hier nackt und schutzlos, als zweifelndes Gegenüber präsentiert. Wenngleich die Landschaftsszenerie im Sinne einer Reiseerinnerung relativ naturgetreu wiedergegeben ist, so widersetzt sich das Figurale vehement diesem Realismus und nähert sich unaufhaltsam einer Formauflösung an. Auch in den Größenverhältnissen kann man nichts Realistisches erkennen, es ist eher ein „distanzloses In-der-Landschaft-Sein“, das sich hier offenbart. Die Umgebung funktioniert somit „als Antipode und als Transformationsobjekt“ zum sich in Auflösung befindlichen Figuralen.